Herr Dr. Jörg Danzer, erzählen Sie uns ein bisschen von sich.

Von der Ausbildung her bin ich Geoökologe, promoviert im Bereich Altlasten, Grundwassersanierung. Sachverständiger gem. §18 Bundesbodenschutzgesetz, Sachgebiet 2 (notifiziert vom Bayerischen Landesamt für Umwelt).

Ich bin Geschäftsführer der boden & grundwasser Allgäu GmbH in Sonthofen, ein Sachverständigenbüro mit insgesamt 8 MitarbeiterInnen.

Wie hat sich die Pandemie auf Ihr Leben ausgewirkt?

Privat habe ich meine persönlichen physischen Kontakte auf ein absolutes Minimum und auf eine feste soziale Blase reduziert. Keine Vereinsaktivitäten, kein Skiclubtraining etc.. Mein soziales Leben wurde weitgehend in den digitalen Raum verlagert. Auch die Betreuung meiner Kinder erfolgt überwiegend über digitale Medien. Meine Tochter hat jetzt im Mai Abitur und ist weitgehend im digitalen Raum angekommen, geht aber als Abschlussschülerin mit (von Eltern gespendeten) FFP2-Masken und Abstand und – von Eltern gespendeten Luftreinigungsgeräten – in den Präsenzunterricht. Mein pubertierender Sohn hat, nachdem Kultusminister Piazolo im Frühjahr 2020 gesagt hat, dass keiner in diesem Schuljahr durchfallen kann, nichts mehr für die Schule gemacht. Ich würde ihn – obwohl er aus einem bildungsnahen Haushalt kommt – als bildungsmäßigen Verlierer bezeichnen. Er ist in seiner sozialen Blase überwiegend draußen beim Shapen und auf dem Dirt-Bike unterwegs. Das Niveau auf dem Rad bzw. in der Luft und der entsprechenden Videos auf Youtube und Insta ist hoch. Prinzipiell hoffe ich, dass meine Kids sich so verhalten, dass sie sich nicht anstecken, um die Gefahr LongCovid zu bekommen möglichst zu minimieren. Den Kontakt zu meiner über 80-jährigen Mutter halte ich ebenfalls ausschließlich über digitale Medien und hoffe ebenfalls, dass sie sich wie bisher vernünftig verhält.

Auch mein Bekannten- und Freundeskreis durch die Pandemie komplett verändert. Früher war ich v.a. beim Skiclub tätig und ins lokale Vereinsleben eingebunden.
Das fällt jetzt natürlich alles weg. Seit Mai 2020 engagiere ich mich stark im Bereich Pandemiemanagement bei Endcoronavirus.org. Zusammen mit anderen NoCovid-Gruppen betreibe ich Aufklärungsarbeit in der Öffentlichkeit, schreibe an PolitikerInnen (MinisterpräsidentInnen, LandrätInnen, BürgermeisterInnen) und Stakeholder (Gesundheitsamt, Schulleitung etc.) auf lokaler und nationaler Ebene. Diese Arbeit, hat auch mein gesellschaftliches Leben verändert. Ich treffe ich mich jetzt regelmäßig mit vielen interessanten Menschen aus der NoCovid-Bewegung. Selbstverständlich nur digital. Die Zusammenarbeit auf nationaler und internationaler Ebene macht Spaß und ich habe viele coole Leute kennen gelernt, die ich sonst nie getroffen hätte.

Wie hat die Pandemie Ihren beruflichen Alltag verändert?

Gleich im März und April 2020 musste ich leider geplanten Tagungstourismus nach Berlin und Leipzig ausfallen lassen. Dank der Pandemie ist mein Unternehmen nun komplett in der digitalen Welt angekommen. Ich habe das Team am 12.03.2020 ins Homeoffice geschickt, was ohne Einschränkung der Produktivität möglich war, da die IT-Infrastruktur mit Cloud-Server schon eingerichtet war. Team-Meetings finden seither ausschließlich im digitalen Raum statt. Im Sommer 2020, zur Niedriginzidenzzeit, war es möglich ins Büro zu kommen, allerdings nur mit einer Person pro Raum und entsprechend Abstand bzw. FFP2-Maske im Begegnungsbereich. Gemeinsame Pausen und Besprechungen waren damals nur draußen mit entsprechenden Abständen möglich.

Die Bau- und Umweltbranche, in der ich tätig bin, läuft bisher trotz Pandemie ungebremst weiter. Zur Elternzeit-Vertretung konnte ich zwei neue MitarbeiterInnen einstellen. Vorstellungsgespräche und Einarbeitung fanden alle online statt. Arbeitsprozesse wurden auf die Remote-Arbeitsprozesse angepasst.

Was tuen Sie als Unternehmer für den Infektionsschutz?

Ich biete meinen MitarbeiterInnen verpflichtendes Homeoffice an. Dies umfasst die zur Verfügungsstellung der entsprechenden IT- und Telekomunikationsinfrastruktur mit deutschem Cloud-Server, mobilen Endgeräten inkl. Dockingstation und zusätzlichen Monitoren, Soft- und Mobile Phones sowie die gewohnten ergonomischen Bürostühle. Für Besprechungen, Seminare, Trainings und Fortbildugnen wird eine professionelle Zoom-Lizenz vorgehalten. Die Arbeitsprozesse Probenentnahme/Ortstermine, Probenlogistik und Laborkommunikation, Auswertung und Gutachtenerstellung wurden personell und räumlich getrennt und können – mit Ausnahme der Probenentnahme – prinzipiell von überall auf der Welt durchgeführt werden. Dies legt auch die Grundlage für die nachhaltige Möglichkeit remote zu arbeiten, um den Wunsch einiger MitarbeiterInnen nach einem nomadischen Leben nach der Pandemie zu ermöglichen.

Die MitarbeiterInnen konnten prinzipiell bereits vor der Pandemie auf entsprechende persönliche Schutzausrüstung (PSA) wie z.B. Einwegschutzanzüge und FFP2- und FFP3-Masken zurück greifen, da wir z.B. auch Asbestuntersuchungen dürchführen. Die MitarbeiterInnen haben in diesem Zusammenhang bereits entsprechende Lehrgänge der Berufssgenossenschaft bzw. Unfallversicherungsträgers (BGR-128, TRGS 524, DGUV 101-104) besucht und verfügen über die entsprechende Sachkunde beim Arbeiten in kontaminierten Bereichen. Diese Sachkunde wurde durch entsprechende interne Fortbildungsmaßnahmen und Unterweisungen über die neuesten Erkenntnisse zum Verhalten des Coronavirus in Innenräumen und im Freien erweitert (Aerosole, Ausbreitungsverhalten, Ansteckungsmechanismen, entsprechend notwendige technische, organisatische und persönliche Schutzmaßnahmen abgeleitet).

Den MitarbeiterInnen wird in Zusammenarbeit mit einem Labor, mit dem wir zusammenarbeiten, die Möglichkeit eine PCR-Gurgeltests angeboten. Dieser kann als Pool-Test z.B. für die Familie mit bis zu 5 Personen durchgeführt werden. Die Ergebnisse sind vom Gesundheitsamt anerkannt und werden den getesteten Personen und ggf. dem Gesundheitsamt per QR-Code aufs Handy übermittelt. Auch wird die Möglichkeit angeboten einen Antigen-Schnelltest (Nasal) durchzuführen.

Fahrzeuge sollen nur jeweils allein genutzt werden. Wird ein Fahrzeug im Ausnahmefall von zwei Personen genutzt, müssen diese FFP2-Masken tragen und durch Lüften für einen regelmäßigen Luftaustausch im Fahrzeug sorgen. Vor der Fahrt müssen sie einen Antigen-Schnelltest durchführen, der ein negatives Ergebnis aufweisen muss.

Ich biete Eltern die Möglichkeit den Arbeitsumfang flexibel zu reduzieren, insbesondere wenn sie einer Doppelbelastung aufgrund von Homeoffice und Homeschooling unterliegen.

Wie kommt das bei denen Mitarbeitern an?

Es kommt bei den MitarbeiterInnen überwiegend gut an. Gerade die Möglichkeit der flexiblen Gestaltung sowohl räumlich als auch zeitlich wird geschätzt. Eine neue Mitarbeiterin befand sich z.B. zu Beginn ihres Arbeitsverhältnisses in Quarantäne in Frankreich und konnte von dort arbeiten. Ein eher kritisch denkender Mitarbeiter sieht manche Maßnahmen von mir weniger positiv, wurde diesbezüglich im Mai 2020 auch schon abgemahnt und trägt sie aber mittlerweile auch gut mit.

Warum ist Infektionsschutz wichtig aus unternehmer Sicht?

Als Arbeitgeber aber auch als Mensch sehe ich mich verpflichtet, die Sicherheit meiner MitarbeiterInnen zu gewährleisten. Nur mit gesunden MitarbeiterInnen kann die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unternehmens aufrecht erhalten werden, um die Nachfrage der Kunden auf dem gewohnten hohen Qualitätsniveau bedienen zu können und neue Geschäftsfelder zu erschließen.

Dies lässt sich – auch im Hinblick auf ein erfolgreiches Pandemiemanagement, d.h. auf die Eindämmung des Virus – am besten durch Kontaktvermeidung realisieren. Daher ist das gesamte Team im Homeoffice, Team-Besprechungen sowie Besprechungen mit Kunden, Behördenvertretern, Projekt- und Kooperationspartnern etc. werden ausschließlich telefonisch oder im digitalen Raum (Zoom-oder Skype Meetings) durchgeführt.

Sie engagieren sich schon lange für die NoCovid-Strategie. Wie sind sie dazu gekommen?

Die Pandemie hat bewirkt, dass ich mich darüber informiert habe. Über ein frühes Paper von Tomas Pueyo, ich glaube es war im März 2020, bin ich durch Zufall auf endcoronavirus.org gestoßen und hab mich dort als Freiwilliger angemeldet. Dort habe ich u.a. mal den International Call gehostet und hab den Gründer Yaneer Bar-Yam kennen gelernt. Über endcoronavirus.org habe mich einer Twitter-Gruppe angeschlossen. Wir haben als „Selbsthilfegruppe“ regelmäßig Zoom-Meetings gemacht und viel Aufklärung über Twitter betrieben. Des weiteren haben wir mit Yaneer Bar-Yam an Hendrik Streeck geschrieben, um ihn von einer Niedriginzidenzstrategie zu überzeugen. Leider ohne Erfolg. Mitte Dezember 2020 haben wir das Lancet-Paper von Viola Priesemann, Melanie Brinkmann, Sandra Ciesek et al mit unterschrieben und die Veröffentlichung mit unterstützt. Über weitere Tätigkeiten über den Jahreswechsel 2020/2021, unter andem zusammen mit Prof. Matthias Schneider, Yaneer Bar-Yam (NECSI, Endcoronavirus.org) und Stephen Ducket (Melbourne, Australien), formte sich Mitte Januar 2021 die Wissenschaftsgruppe um Matthias Schneider. Durch ein breites Medienecho wurde dann auch der Öffentlichkeit immer mehr bewusst, dass es einen Fahrplan raus aus der Pandemie gibt und dass dieser Fahrplan „NoCovid“ heißt. International wird übrigends der Begriff „ZeroCovid“ verwendet. Bei uns in Deutschland trat quasi zeitgleich zur Veröffentlichung des ersten Strategiepapiers der Wissenschaftsgruppe die Inititative ZeroCovidDACH mit ihrer Petition an die Öffentlichkeit, die das Ziel ZeroCovid mit einer gesellschaftspolitisch links orientierten Forderung eines solidarischen Shutdowns auf europäischer Ebene verknüpfte. Um uns davon Abgrenzung bzw. Verwechslungen zu vermeiden, haben wir uns letztendlich für den Begriff „NoCovid“ entschieden.

Wieso befürworten Sie die NoCovid Strategie?

Es gibt meiner Meinung nach keine Alternative dazu, im Sinne von NoCovid in Deutschland oder ZeroCovid international. Es handelt sich ja um ein weltweites Problem, eben einer Pandemie, und dies bekommen wir nur alle gemeinsam in den Griff.

Ziel ist möglichst weltweite Grundimmunität hinzubekommen bzw. das Virus und seine Mutationen durch eine konsequente Umsetzung der NoCovid-Strategie zu kontrollieren. Unterstützt von entsprechenden Impfkampagnen. Wobei man das Impfen prinzipiell kritisch sehen muss, da sich immer ein gewisser Anteil der Bevölkerung nicht impfen lassen möchte und es auch immer wieder Escape-Mutationen geben wird. Bisher hat es weltweit noch kein einziges Land geschafft das Virus mit einer von Null abweichenden (Risiko-)Inzidenz unter Kontrolle zu halten. Dem müssen wir uns immer Bewusst sein.

Im Sommer 2020 hatten wir ja schon fast eine NoCovid-Situation und ich war eigentlich fest der Überzeugung, dass die Konzepte von Yaneer Bar-Yam der  Bundesregierung bekannt waren und wir eine Grüne Zone werden. Doch leider haben wir im Herbst die Kontrolle über das Virus verloren. Und dies müssen wir jetzt ausbaden.

Was erwarten Sie von den Verantwortlichen?  

Ich erwarte von den verantwortlichen Entscheidern, dass sie sich hinstellen und offen für die NoCovid, ZeroCovid bzw. Niedriginzidenzstrategie entscheiden. Sie der Bevölkerung erklären, worin die Vorteile liegen. Denn es gibt nur Vorteile. Und dann sollen sie diese Strategie konsequent umsetzen, z.B. wie es uns Jacinda Adern aus Neuseeland vorgemacht hat. Es werden entsprechende Aufklärungskampagnen durchgeführt und die Medien (Print, Fernsehen etc.) informieren die Menschen zeitnah und richtig, um die Menschen mitzunehmen und ein erfolgreiches Pandemiemanagement zu ermöglichen.

Ich wünsche mir, dass die Nocovid-Wissenschaftsgruppe von ihren eigentlichen Aufgaben als ProfessorInnen freigestellt und als Task Force zur Umsetzung der NoCovid-Strategie eingesetzt und an entsprechenden Advisory Boards oder Tasks Forces auf Europäischer (EU) und Internationaler Ebene (WHO) beteiligt wird. Sie sollten alle personellen und finanziellen Ressourcen, die dazu notwendig sind, erhalten.

Die WHO, die EU, die Kanzlerin, die MinisterpräsidentInnen, die LandrätInnen und BürgermeisterInnen sollen sich auf ihrer Führungs- und Entscheidungsverantwortung konzentrieren und aktiv zur Umsetzung der NoCovid-Strategie beitragen. Für das oberste internationale Advisory Board hätte ich auch schon ein paar Leute im Kopf, z.B. Dr. Mike Ryan, Prof. Yaneer Bar-Yam, Prof. Stephen Ducket und Jacinda Adern.

Vielen Dank für das ausführliche Gespräch (welches wir natürlich digital geführt haben) und die Einblicke in Ihren Alltag, Dr. Danzer.